Anthroposophische Sozialtherapie

Die Anfänge

Karl König, ein Wiener Arzt, der ins Exil gehen musste, gründete 1939 eine ganzheitlich therapeutische Gemeinschaft im schottischen Gutshaus „Camphill“, das den Namen für eine weltweite Bewegung abgeben sollte. Die Gründergruppe wollte das eigene Leben mit  behinderten Menschen teilen und dieses Leben ganzheitlich im Sinne einer therapeutischen Gemeinschaft gestalten. Den Menschen in diesen Gemeinschaften soll die Erfahrung eines gelingenden Lebens im sozialen Miteinander ermöglicht werden.

Menschenbild der Sozialtherapie

Sozialtherapie bemüht sich um ein vertieftes Verständnis vom Menschen auf der Grundlage der Anthroposophie Rudolf Steiners. Das anthroposophische Menschenbild versteht jeden Menschen als Person mit einem gesunden, unzerstörbaren geistigen Wesenskern, deren Würde unantastbar ist. Es ist christlich-humanistisch ausgerichtet und geht von der Realität des Geistigen aus. Menschen beeinflussen, behindern und bereichern sich immer gegenseitig, niemand ist nur hilfebedürftig, niemand nur helfend. Das Bedürfnis nach Beziehung und sozialer Einbindung wie nach persönlicher Autonomie ist in jeder Person existentiell verankert.

Gelingende Biographie

Die Sozialtherapie konzentriert sich auf die Stärken und Ressourcen eines Menschen mit Unterstützungsbedarf. Sie versucht, zuerst die Persönlichkeit jedes Einzelnen und nicht so sehr seine Behinderung zu verstehen. Jeder erwachsene Mensch ist vor aller Förderung so anzuerkennen, wie er ist.

„Erwachsen sein“ ist kein einmal erreichter Zustand, sondern ein Entwicklungsprozess. Das gilt für alle Menschen. Das Ziel ist eine gelingende Biographie. Was gelingende Biographie konkret heißt, wird von jedem Menschen subjektiv erlebt. Dieser Entwicklungsprozess wird im Erwachsenenalter als Bildungsprozess vor allem durch die eigene Person geführt. In der Sozialtherapie geht es demnach nicht so sehr um pädagogische Maßnahmen, sondern insbesondere um anregende Bildungsangebote.

Dialogische Beziehung auf Augenhöhe

Wesentlich in der Sozialtherapie ist die Haltung der begleitenden Person, die von Interesse, Wertschätzung, Akzeptanz, Verbindlichkeit und Aufrichtigkeit geprägt sein sollte.

Im beruflichen Handeln sind die begleitenden Personen ganzheitlich gefordert, es kommen Fachlichkeit, Erfahrung und Intuition gleichermaßen zum Tragen.

Die situative Begegnung zwischen begleitender und begleiteter Person ist idealerweise eine dialogische Begegnung auf Augenhöhe, getragen von Respekt und gegenseitiger Wertschätzung.

Die Sozialtherapie will ein hilfreiches, sinngebendes soziales Umfeld schaffen, das jedem Individuum seinen eigenen Entwicklungsraum ermöglichen soll.

Es sind vorwiegend die Bereiche „Leben im Alltag“, „Gestaltung des Arbeitslebens“ und „Bildung, Kultur und Spiritualität“, die im Mittelpunkt einer inklusiven sozialtherapeutischen Gemeinschaft stehen.

Inklusiver Sozialraum

Die Teilhabe am öffentlichen Leben mit dem Ziel gesellschaftlicher Inklusion ist eine der Hauptaufgaben. Es braucht eine Vielfalt an Methoden und Angeboten zum Wohnen, Arbeiten und zum kulturellen Leben, um der Verschiedenheit der Individualitäten gerecht zu werden. Damit korrespondiert eine reale Wunsch- und Wahlfreiheit, sich für oder gegen bestimmte Angebote zu entscheiden.

Eine sozialtherapeutische Gemeinschaft versteht sich nicht als eine Institution, die Dienstleistungen für Kunden im marktwirtschaftlichen Sinne erbringt, sondern sie ist ihrem Selbstverständnis nach ein Sozialraum bzw. Gemeinwesen, das von allen Mitgliedern gemeinsam entwickelt, verantwortet und gestaltet wird.

Sozialtherapie ist entwicklungsoffen. Sie entfaltet sich in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen und im Dialog mit neuesten fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Saal im Loidholdhof für gemeinsame Tätigkeiten Saal im Loidholdhof zum inklusiven Zusammenleben Miteinander im Loidholdhof

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